Oder: Sparta gegen Slavia, auf der anderen Seite des Berges, über den sich der Letna Park mit dem Kulturzentrum Stalin erstreckt. Das wieder hat seinen Namen aus grauer Vorzeit, bis 1962 wachte ein dreißig Meter hoher Beton-Diktator über der Stadt, und weil die Skater, die den Berg inzwischen eingenommen haben, sich ohnehin am „Stalin“ verabreden, übernahmen die Erfinder des neuen Clubs gleich das, was die Straße ihnen sprachlich lieferte. Bevor ich ihn über Betonstufen erklimme, von denen jede einzelne so hoch ist wie mein Unterarm lang, öffne ich zu seinen Füßen ein tschechisches Zitronenbier, noch unsicher, ob das hier noch als öffentlicher Platz gilt, auf dem natürlich nicht getrunken werden darf, oder die Umgebung, Verbote hin oder her, ohnehin längst alle in Unschuld wäscht. Ich nehme die ersten hundert Stufen, sehe mich um, schaue hinunter auf Prag, umschlängelt vom Fluss, die Sonne prall auf allen Ufern, schleppe mich, noch geschwächt vom Infekt, weiter hinauf, und höre die ersten Trommeln, die ersten Schlachtgesänge, komme oben an, sehe Fahnen und Schals, aber nicht nur, sondern sehe auch Skater abheben und über Planken schlittern, und daneben auf den Wiesen liegt Hipstervolk, trinkt Bier und lässt sich besonnen, und sofort hole ich das Zitronenbier, das ich bis gerade noch krampfig hinter meiner Kameratasche versteckt hielt, hervor und trinke gierig, denn nun ist mir heiß.
Ins Stadion werde ich an diesem Tag nicht mehr gelangen. Der im Internet zu findende Hinweis, der Vorverkauf sei beendet und die Tageskassen würden bald öffnen, ist schon wieder Makulatur und ich kehre nach ein paar Runden um das Stadion zurück auf die Prager Großseite, wo ich mir in einem Pub das Spiel zwischen Frankfurt und Dortmund anschaue. In Prag alles kein Problem. Über ein Dutzend Bildschirme läuft Sport aus aller Welt, neben mir singen und grölen Iren. Abiturienten vom Main feuern ihre Mannschaft an. Ich sitze im Warmen und fluche nur über das späte Unentschieden. Nicht zu laut, die Frankfurter Kids sind im Taumel und haben gut getankt. Sparta, erfahre ich später, hat zu Hause durch läppische Fehler mit 0:3 gegen Slavia verloren. Slavia musste dafür nicht viel tun. Slavia hat offenbar mehr Geld.