Das, was ich aus meinem Fenster sehe, darf man ohne Übertreibung eine Aussicht nennen. Unten rauscht die Moldau durch das Brückengebäude, in dem auch ein Kunst-Restaurant untergebracht ist. Alle Häuser entlang des Ufers sind pastellfarben, oder zumindest Jugendstil oder Art déco. Hinter der Moldau ist ein prächtiges Viertel zu erkennen, dann kommen schon die bewaldeten Hügel mit den orangenen Irrlichtern, und ganz oben der Prager Fernsehturm.
Offenbar ist er berüchtigt. Eine prominente, irrsinnige Show soll in ihm stattfinden. Im Gegensatz zum Schloss leuchtet er auch nachts. Von meinem Fenster aus habe ich ihn die ganze Zeit im Blick. So, wie er dort raketenartig aus dem nächtlichen Wald ragt, denke ich als Kirmeskind unentwegt, dort stünde ein Karussell. Mit dem man gleich noch fahren kann. Denn ist nicht noch viel los, dort draußen, hört man nicht noch Stimmen, und wird es nicht Herbst, also Kirmeszeit? Ein leichtes Kratzen im Hals spüre ich schon.
Anm.: später realisiere ich, dass es sich bei den Turm, den ich von meinem Fenster aus sehe, nicht um den Fernsehturm handelt (der erschreckenderweise mitten im Wohngebiet von Žižkov steht), sondern um den Aussichtsturm Petřín.