Mit dem Beginn des Herbstes in Prag geht auch die Zeit meines Stipendiums zu Ende. Nicht ganz vier Wochen waren es – das ist viel, um eine Stadt zu besuchen, aber doch viel zu kurz, um sie tatsächlich kennenzulernen, um mehr zu sein, als nur Gast.
Die Tage sind schnell vergangen und vieles, was ich mir vorgenommen hatte, habe ich nicht geschafft: Ich bin durch manche Stadtviertel nur einmal gestreift und habe andere gar nicht betreten. Ein Handvoll Museen habe ich besucht, bin nach Terezín und Kutná Hora gefahren, aber nicht nach Karlštejn, Brno oder gar Ostrava (dabei ist Bahnfahren in Tschechien erfreulich günstig). Mein Wortschatz ist um einige Vokabeln reicher, und doch kann ich nicht sagen, ich hätte Tschechisch gelernt. Ich war in keinem der vielen Theater und habe es nicht ins Kino Světozor oder ins Lucerna geschafft (dabei findet man in ihren Programmen auch Filme mit dem Hinweis English friendly). Ich war nicht im Palác Akropolis und auch nicht in der Groovebar (obwohl von ehemaligen Prager Stipendiat*innen im „Buch der Bewohner“ so wärmstens empfohlen). Ich habe David Černýs Babyskulpturen nicht den Žižkover Fernsehturm hinaufkrabbeln sehen (ihr Befestigungsmechanismus wird gerade erneuert) und bis heute auch nicht die Astronomische Uhr (das Baugerüst ist zwar mittlerweile verschwunden, die Uhrscheibe wird aber noch immer von einer Folie verdeckt). Aber ich denke, zumindest so etwas wie einen Sound von Prag, den habe ich mitgenommen.
Prag ist vieles, aber nicht leise, zumindest nicht in den Vierteln nahe der Innenstadt. Es gibt eine Figur in Die Stille in Prag von Jaroslav Rudiš, die in ihrer Sehnsucht nach dieser Stille Kopfhörer- und Stromkabel zerschneidet, und die mir in den letzten Wochen einige Male in den Sinn kam. Für mich war Prag das Rauschen der Moldau, das bei geöffnetem Fenster bis in den vierten Stock hinauf dringt, knarrende Dielen und nachmittags Gesangsstunden in der Wohnung darunter. Prag, das sind die Sirenen der Krankenwagen, die die Masarykovo nábřeží entlangfahren und das regelmäßige Rattern der Straßenbahnen; das Windrauschen, wenn es die steilen Rolltreppen zur Metro hinuntergeht und der schrille Quietschton, bevor die Busse ihre Türen schließen. Prag, das ist die Klaviermusik am Bahnhof oder in den Kaffeehäusern, aber auch die Elektrobeats im Roxy. Das ist die Dezibelanzeige in der Kneipenmeile, auf dem Platz zwischen Kozí und Dlouhá. Das sind die vielen Sprachen, die man in der Innenstadt hört, und der Klang des Tschechischen, von dem ich bisher leider nur einzelne Wörter entziffern kann. Das sind die Kinder auf den Spielplätzen, die Bahn unter dem Vitkov-Hügel und die Baustellen in den Straßen. Prag ist vieles, aber nicht leise, und gerade darin liegt auch ein Teil ihres Charmes.
Na shledanou, Praha! – Wir werden uns wiedersehen!

Der letzte Abend in Prag und ein letzter Blick auf die untergehende Sonne über der Moldau
Wunderschön beschrieben ! Wir freuen uns auf Sie in Bremen im Februar 2019 !
Vera und Dirk Harms / Porta Bohemica e.V.